Das Trauma der Corona-Krise
Am vergangenen Wochenende fanden wieder Demonstrationen gegen die Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie statt. "Ich möchte nicht, dass jemand darüber entscheidet, wen ich treffe oder wohin ich gehe.“ ist eine der (menschlich) nachvollziehbaren Aussagen. Andererseits trauen sich nach Boris Palmer nun immer mehr Personen die Haltung, dass wir Menschen retten würden, die sowieso nicht mehr lange zu leben hätten. Gleichzeitig wurden allein am vergangenen Wochenende im Kreis Heinsberg 80 Mitarbeiter eines Paketversenders, 70 Bewohner eines Flüchtlingsheims in der Nähe von Bonn und 92 weitere Mitarbeiter einer Fleischfabrik im Kreis Osnabrück als Infizierte mit dem Covid 19-Virus gemeldet. Überzogene Darstellung, weil die Bedrohung durch das Covid 19-Virus gering ist? Alles nur ohnehin alte oder kranke Menschen bzw. Menschen mit bekannten Vorerkrankungen? Opfern wir unsere Wirtschaft und den Wohlstand vieler Menschen, nur damit ein paar Menschen ein bisschen länger leben?
Das Leben von Alten und (auch unerkannt) Kranken gegen wirtschaftliche und soziale Interessen von Jüngeren und Gesunden auszuspielen, finde ich eine unerträgliche Haltung. Allein die Tatsache, dass dies im Jahr 2020 in Deutschland passiert, wirft ein Schlaglicht auf ein bisher zu wenig beachtetes Thema, nämlich auf die psychischen Auswirkungen der Bedrohung durch das Virus und der staatlichen Maßnahmen. Worum es nämlich wirklich geht, ist ANGST.
- Es geht um die Einsamkeit von isolierten Alleinlebenden, Alten und Kranken bzw. die Sorge der Angehörigen um diese.
- Es geht um die Gesundheit abseits von Covid 19, z.B. durch abgesagte oder vermiedene notwendige medizinische Untersuchungen und Behandlungen.
- Es geht um fehlende Sozialkontakte, menschliche Nähe und Berührungen.
- Es geht um Überforderungen in Familien aufgrund ungewohnter Herausforderungen des Familienlebens über längere Zeit auf engem Raum.
- Es geht um wirtschaftliche Sorgen oder sogar um die wirtschaftliche Existenz.
- Es geht um die eigene Autonomie.
- Es geht um Kinder, die durch die Kontaktbeschränkungen und die Ängste in ihrem Umfeld in ihrer psychologischen und sogar neurologischen Entwicklung ge- und verstört werden.
Durch die Corona-Krise entsteht bei sehr vielen Menschen ein Trauma, eine psychische Verletzung. Diese wird selten offen gezeigt oder benannt, sondern ist oftmals z.B. hinter innerem Rückzug einerseits oder Aggression andererseits verborgen.
Viele Menschen mit hohem Selbstwert und daraus resultierender guter Fähigkeit, mit Herausforderungen und Krisen umzugehen (also Resilienz), werden entweder weniger stark traumatisiert oder sie werden in der Lage sein, ihre Situation zu gestalten und positiv zu bewältigen. Am stärksten gefährdet sehe ich Kinder und Jugendliche, Alte, Kranke, Alleinlebende und Schwangere.
So wichtig die finanzielle Unterstützung der Wirtschaft und der wirtschaftlichen Situation der Menschen ist: Die psychische Gesundung der Menschen nach der Corona-Krise wird sehr viel länger dauern als die wirtschaftliche Erholung. Kinderbetreuer, Pädagogen, Lehrer, Ärzte, Therapeuten, Theologen, Pflegekräfte u.a. werden dies besonders erfahren.